forecasting wie lotto
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Das vernichtende Urteil zum Thema Forecasting aus einem Meeting beim Kunden klingt mir heute noch im Ohr: „Statt Euch (die Vertriebsleiter) nach einem Forecast zu fragen, kann ich auch Lotto spielen.“ Was war passiert? Am 31. März lag der erwartete Auftragseingang laut CRM noch bei 390 Mio. €. Am 1. April zeigte das ERP System lediglich 200 Mio. €. Autsch. Natürlich hinkt dieser Vergleich. Aber er zeigt deutlich die Verzweiflung, zu der mangelnde Genauigkeit beim Forecasting führt. Dabei ist ein Ausweg einfacher als im Lotto: denn beim Forecasting brauchen Sie nur 5 Richtige, um zu gewinnen.

1. Die richtigen Opportunities

Stellen Sie Ihren Verkäufern doch einmal die Frage, was für sie eine „Richtige Opportunity“ ist. Wahrscheinlich gibt jeder eine andere Antwort. Und hier fangen die Probleme schon an: denn es kann nicht sein, dass jeder anders gearteten Verkaufschancen nachjagt. Haben Sie vielleicht vergessen, die Unternehmensstrategie transparent in eine Vetriebsstrategie zu übersetzen? Oder gibt es diese zwar, aber sie wird nicht umgesetzt? In beiden Fällen müssen Sie schnellstens aktiv werden und die Weichen stellen.

Die Antworten der Verkäufer können dazu den Input liefern, welche die Vertriebsleitung zusammen mit Marketing und Produktmanagement konsolidiert und wieder an das Vertriebsteam zurück spielt. Das Ergebnis sind Zielmärkte, Branchen und schließlich Kunden, die nun bearbeitet werden. Am besten, Sie definieren ein Optimales Opportunity Profil (OOP), das als Leitschnur für alle dient. Mit diesem OOP müssen Sie die Daten im CRM permanent abgleichen, um möglichst früh eingreifen und umsteuern zu können. Der richtige Zeitpunkt für Coaching durch den Vertriebsmanager ist dabei die Qualifizierungsstufe. Hier sollten Sie strenge Richtlinien anwenden um zu entscheiden, ob Sie die Verkaufschance in den Funnel aufnehmen wollen.

2. Die richtige Stufe im Kauf-/Verkaufsprozess

Beim Forecasting liegt in vielen Vertrieben das Augenmerk vor allem auf jenen Opportunities, die sich – vermeintlich – in der Abschlussphase befinden. Aber abschließen können Sie nur, wenn der Kunde seinen Kaufprozess so weit vorangetrieben hat, dass er entscheiden kann. Die meisten Verkaufsprozesse und CRM Systeme orientieren sich ausschließlich an den Aktivitäten der Verkaufsorganisation. Sprich, die nächste Verkaufsstufe wird erreicht, sobald die vorherige abgearbeitet wurde. Das führt regelmäßig dazu, dass optimistische Verkäufer den Auftrag zu früh erwarten. Besonders, wenn der „Druck auf die Zahlen“ groß ist.

Eine Abhilfe bietet die Orientierung am Entscheidungsprozess des Kunden: Definieren Sie Stufen nach den Aktionen des Kunden, z.B. „Hat zur Vergabe eingeladen“. Das ist viel genauer als zu glauben, sobald „Angebot abgegeben“ erledigt ist, werde in Kürze auch der Auftrag folgen. Seit 2018 sehen wir allerdings auch einen umgekehrten Trend: Vertriebe werden immer später in den Entscheidungsprozess einbezogen und versuchen dann mühsam, mit dem Entscheidungsprozess gleichzuziehen (siehe dazu die Studie zu Käuferpräferenzen). Das schmälert die Erfolgschancen merklich und es stellt sich die Frage, ob solche Opportunities für Sie die Richtigen sind (womit wir wieder bei 1. wären).

3. Das richtige Abschlussdatum

Leider gehören zu einem Auftrag immer zwei: Sie und Ihr Kunde. Das wird gerne ignoriert, und unrealistische Abschlussdaten sind eher Regel als Ausnahme. Beweis gefällig: Ermitteln Sie einfach die Berichtstermine Ihres Unternehmens und vergleichen Sie diese mit den Abschlussterminen im CRM. Sie werden überrascht sein, wie oft diese übereinstimmen. Als würden Kunden ihre Aufträge dann platzieren, wenn ihre Lieferanten sie gerade brauchen.

Das richtige Abschlussdatum sollte sich stattdessen aus dem Geschäftsziel des Kunden herleiten. Wenn dieser eine Maschine zum Tag X in Betrieb nehmen will, deren Bau, Lieferung und Installation aber 8 Wochen in Anspruch nimmt, ist das Abschlussdatum also X minus 8 Wochen. Dieses Vorgehen sichert nicht nur genauere Forecasts, sondern auch weniger Stress in Produktion und Service und ist damit für das ganze Unternehmen gesünder.

Ein letzter Tipp: versuchen Sie nicht, das Abschlussdatum durch Rabatte und Sonderkonditionen nach vorne zu ziehen. Sie verbrennen damit Marge und erziehen den Kunden, auch beim nächsten Projekt entsprechendes Entgegenkommen zu erwarten. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, der Forecasting zum meistgehassten Thema im Vertrieb macht.

4. Den richtigen Auftragswert

Es ist teilweise erstaunlich, wie viele Angebote manche Vertriebe erstellen, bis ein Kunde unterschreibt. Wenn die Angebotserstellung nicht direkt aus dem CRM heraus erfolgt, müssen die Auftragswert dann jedes Mal aktualisiert werden. Kein Wunder, dass das Forecasting dann ungenau wird. In diesem Fall alleine auf eine neue Angebots-App zu setzen, ist meistens nicht die richtige Lösung. Wichtiger ist es, die Angebotsqualität zu verbessern.

Das ist sogar einfacher, als zunächst angenommen. Sie müssen nur später im Verkaufsprozess anbieten. Dann, wenn die Anforderungen und Bedürfnisse des Kunden komplett verstanden und von diesem gemäß dessen Kaufprozess bestätigt wurden (s. 2. Verkaufsstufen). Erst dann lohnt es sich, ein formal bindendes Angebot zu erstellen. Neben einer besseren Forecast-Genauigkeit hat diese Vorgehensweise noch andere positive Effekte:

der Vertriebsinnendienst und der Vertriebssupport werden entlastest, weil sie weniger Varianten rechnen müssen
der Vertrieb muss weniger Angeboten hinterher telefonieren (und seien wir mal ehrlich: es kann nicht sein, dass Sie nicht bei allen Angeboten nachfassen!)
der Kunde erhält weniger Einblick in die Preisgestaltung und kann diese nicht nutzen, um Wettbewerbsangebote einzuholen

In frühen Verkaufsstufen reicht es völlig, grobe Richtwerte als Auftragswert zu verwenden. Wenn diese frühen Verkaufschancen überhaupt in das Forecasting aufgenommen werden, dann meist mit einer niedrigen Gewichtung. Dadurch nivellieren sich also Abweichungen vom tatsächlichen Endwert. Sobald das Abschlussdatum jedoch in den zu planenden Bereich eintritt, sollte der Auftragswert realistisch eingegeben und nur noch marginal verändert werden.

5. Den richtigen Forecast-Status

Dieser letzte Punkt erscheint vielleicht überflüssig. Denn wenn alle anderen schon diskutierten Werte richtig gewählt wurden, sollte eigentlich alles für die Prognose passen. Dennoch kann es sinnvoll sein, eine bestimmte Verkaufschance mit Hilfe eines Schalters (Forecast-Flag) im CRM aus der Planung auszuschließen. Z.B., wenn deren großes Volumen den üblichen Rahmen sprengen und zu einer groben Verfälschung führen würde. Oder wenn der Kunde im letzten Moment Probleme oder Verzögerungen bei der Vertragsunterschrift signalisiert. Von diesen wenigen Ausnahmen abgesehen sollte der Status automatisch eingeschaltet sein, sobald eine Forecast-relevante Verkaufsstufe erreicht wurde.

Ihr Hauptgewinn – nicht nur beim Forecasting

Zugegeben, das liest sich alles sehr viel einfacher, als es in der Praxis umzusetzen ist. Mangelnde Forecast-Genauigkeit ist allerdings oft nur ein Symptom für ein Grundproblem: Erhebliche Defizite im Vertriebsprozess und dem Management von Opportunities. Diese müssen behoben werden, damit die „Vertriebsfabrik“ richtig funktioniert und gesteuert werden kann. Dann ergibt sich der genauere Forecast gewissermaßen zwangsläufig, denn „Bauchgefühl“ und „Hoffnung“ werden durch Daten und Fakten ersetzt. Für viele Vertriebe ist das der eigentliche Hauptgewinn: endlich Zeit fürs Verkaufen zu verwenden! Statt Excel-Tabellen auszufüllen, Druck zu bekommen, daneben zu liegen und endlos begründen zu müssen, warum.

Jeder Vertriebsmanager sollte sich aufgerufen fühlen, an den 5 Richtigen zu arbeiten. Es lohnt sich!

Interessante Links zum Thema:

Zur Kalkulation der Forecast Genauigkeit gibt es diesen interessanten Beitrag eines Herstellers von Forecasting-Software aus Großbritannien.

Auch Hubspot nimmt in einem Beitrag ausführlich Stellung, inklusive einer Excel-Vorlage.

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