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Schon 2015 hat die Forrester Studie „Death Of A (B2B) Salesman“ den Verlust von 1 Mio. Vertriebsjobs allein in den USA bis zum Jahr 2020 prognostiziert. Seitdem haben die Digitalisierung des Vertriebs und Social Selling massiv an Fahrt gewonnen. Müssen wir B2B Verkäufer also um unsere Jobs fürchten und uns andere Beschäftigungsfelder suchen? Hier sind drei Gründe, warum ich denke, dass im B2B Vertrieb – ganz im Gegenteil – noch viele Chancen für uns alle stecken.

1. Grund: Inbound Marketing übersieht das Buying Center

Entschuldigen Sie das Denglisch, aber mit deutschen Begriffen ist das nur schwer in eine Zeile zu bringen. Darum geht es: Moderne Marketingstrategien und deren digitale Umsetzungen sind sehr gut darin, Einzelpersonen als Lead zu erfassen und deren Customer Journey zu begleiten. Im Consumerbereich funktionieren sie auch hervorragend, weil diese Person identisch mit dem späteren Käufer ist. Im Geschäftskundenvertrieb ist die Lage komplizierter: Hier treffen Gremien die Kaufentscheidung oder zumindest wird diese in einem längeren Prozess von mehreren Personen vorbereitet. Inzwischen, so eine Studie von CSO Insights, sind dies oft 6 oder mehr Beteiligte, die jeweils aus einem anderen Blickwinkel und zu einem anderen Zeitpunkt im Prozess involviert sind. Von Marketing verlangt dies, über mehrere Käufer-Profile für jeden die richtigen Inhalte zur Verfügung zu stellen. Idealerweise sind Marketingautomation-Systeme auch in der Lage, simultane Interaktionen einzelner Leads z.B. über die gemeinsame Email-Domain einer Kundenorganisation zuzuordnen. Für den Vertrieb bedeutet dies die Chance, den Kaufprozess und die Entscheidungsfindung zu moderieren und damit Kundennutzen schon während des Kaufens zu schaffen. Zwar findet die Interaktion mit dem Verkäufer inzwischen i.d.R. später und auch mit einer besseren Informationsbasis auf Käuferseite statt. Aber in gleichem Maße nimmt auch die Komplexität der Auswahlkriterien, der zu berücksichtigenden Interessen und der kaufmännischen Bewertung zu. Hier können kompetente Verkäufer sich als Moderatoren und Berater positionieren und einbringen.

2. Grund: Komplexität ist des Verkäufers Freund

Nicht nur die Entscheidungsgremien, auch das zu kaufende Produkt oder die Dienstleistung werden immer komplexer: Arbeitsteilige Organisation (Stichwort: Outsourcing) und die Digitalisierung selbst leisten dem massiv Vorschub. Die meisten Kunden meiner Kunden operieren nicht autark, sondern müssen bei ihren Entscheidungen jeweils auch die Vorgaben oder Interessen anderer Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette beachten: Werkzeugbauer beliefern Maschinenbauer und diese wiederum Automobilhersteller, um nur ein Beispiel zu nennen. Wer in diesen Szenarien den Überblick behält und weiß, welchen Beitrag die einzelnen Komponenten und Dienste zur jeweiligen Wertschöpfung leisten, avanciert zum Problemlöser und geschätzten Partner. Allerdings erfordert dies einen Paradigmenwechsel bei den Verkäufern selbst: Diese müssen weniger in Produkten und Einzelbausteinen, sondern vielmehr in Systemen und Zusammenhängen denken. Neben einem soliden Produktwissen gehören Branchenkenntnisse und – immer wichtiger – betriebswirtschaftliches Know-How zum Handwerkszeug des B2B Verkäufers 4.0. Nebenbei erleichtert Letzteres auch den Zugang zum und das Verkaufen an den Entscheider beim Kunden. Denn dieser entscheidet im Allgemeinen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien und jeweils im aktuellen Kontext der Unternehmenssituation. Beides Rahmenbedingungen, die sich digital nicht abbilden, aber kommunikativ sehr wohl beeinflussen lassen.

3. Grund: Menschen kaufen von Menschen

Es mag zwar paradox erscheinen, aber je mehr die Digitalisierung fortschreitet und je uniformer Produkte und Dienstleistungen werden, umso wichtiger empfinde ich die Rolle des Verkäufers. Man könnte auch sagen, dass es weniger darauf ankommt, was man verkauft, sondern wie man es tut. Zugegeben, das wird schwierig für die sogenannten Produktverkäufer oder Boxenschieber, die sich vor allem mittels Produktmerkmalen, Innovationen oder Preis differenzieren. Ihnen droht tatsächlich Obsoleszenz durch digitale Vertriebskanäle, wie ich es in einem vorherigen Artikel bereits beschrieben habe. Wem es durch einen kundenorientierten Verkaufsansatz jedoch gelingt, gemeinsam mit dem Käufer eine für diesen maßgeschneiderte Lösung zu entwickeln und dadurch zum Geschäftserfolg des Kunden beizutragen, hat auch in Zukunft sehr gute Erfolgsaussichten. In Zeiten stetigen Wandels und steigender Komplexität (s. Grund Nr. 2) kommen Glaubwürdigkeit und Vertrauen dabei eine entscheidende Bedeutung zu. „Beratendes Verkaufen“ kann eine Lösung hierfür sein und wird verstärkt als verkäuferische Kompetenz wahrgenommen. À propos Kompetenz: Vor diesem Hintergrund sollten Vertriebsleiter und Personalabteilungen unbedingt gemeinsam darüber nachdenken, welches Kompetenzprofil die Verkäufer idealerweise haben sollten. Das gilt sowohl für Neueinstellungen, als auch ganz besonders für die Weiterentwicklung des vorhandenen Personals (Stichwort Fachkräftemangel). Flexibilität und Kommunikationsfähigkeiten gehören für mich zu den ganz wichtigen Erfolgsfaktoren. Allerdings gepaart mit solidem verkäuferischen Handwerkszeug und einer entsprechenden Ausbildung. Zum Glück entstehen gerade auch an deutschen Hochschulen in den vergangenen Jahren entsprechende Bildungsangebote. Eine Zukunftsinvestition, die sich lohnen wird.

Fassen wir zusammen: Der Beruf des Verkäufers wird nicht aussterben, aber sich in den kommenden Jahren massiv wandeln. Gestandene B2B Verkäufer werden für ihre Veränderungsbereitschaft belohnt, indem sie den Wettbewerb hinter sich lassen und zum Partner ihrer Kunden werden. Für Neueinsteiger wird der Beruf interessanter, denn die Berufsvorbereitung wird professioneller und die Arbeitsbedingungen aufgrund des demografischen Wandels immer attraktiver. Totgesagte leben also länger, und das nicht einmal schlecht.

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